Windelfrei mit 0 Jahren

Frau mit Baby am Strand

Windelfrei mit 0 Jahren

Ein Neugeborenes spürt nicht nur Hunger und Müdigkeit und macht sich entsprechend bemerkbar. Es spürt auch, dass es mal muss. Das sollte nicht überraschen.

Seit tausenden von Jahren gingen unsere Vorfahren auf dieses Bedürfnis ein. Ein hungriges Baby wurde gestillt, ein müdes zum Schlafen hingelegt und eines, das sich entleeren muss, wurde abgehalten. Bis uns vor ein paar Jahrzehnten die Werbung erzählte, dass man seinen Liebling lieber in die Windeln machen lassen sollte. Und wir haben es geglaubt. Weil ungefähr drei Viertel der Weltbevölkerung diese Werbung nicht gesehen hat oder sich die Produkte nicht leisten konnte, blieb sie zum Glück beim natürlichen Weg. Hier kannst du etwas über die Geschichte der Windel erfahren. (LINK)

Seit der Markteinführung der Papierwindel im Jahr 1961 ist das Wissen rund um die natürliche Säuglingspflege, wie sie unsere Vorfahren noch kannten und Ur-Völker sie heute noch anwenden leider verloren gegangen. Heutzutage glauben die Meisten im deutssprachigen Raum, dass Kinder erst mit 3 Jahren ihre Blase willkürlich steuern können. Das ist jedoch nicht richtig. Babys können das bereits ab der Geburt. Nur wir Erwachsenen können ihre Ausscheidungssignale nicht mehr lesen und lassen unsere Kinder ihre Notdurft in einer Windel verrichten. Babys senden verschiedene Signale, wenn sie müssen und Eltern lernen diese Signale mit der Zeit immer besser zu deuten. Frischgebackene Eltern haben anfangs noch viel Mühe, zu unterscheiden, ob das quengelnde Baby gerade Hunger hat oder müde ist. Mit der Zeit lernen sie es. Genauso ist es auch mit den Ausscheidungen der Kinder.

Elimination Communication (deutsch: Ausscheidungskommunikation)

Weil das Elternleben oft hektisch ist, fehlt vielen – leider – die Zeit sich so intensiv mit dem eigenen Kind zu befassen. Hier hilft die Konzentration auf Standardsituationen, in denen man seinen Schatz abhalten kann. Das sind insbesondere:

  • während des Stillens
  • nach dem Essen
  • nach dem Schlafen
  • nach viel Bewegung draußen an der frischen Luft

Am schönsten ist es natürlich die Zeit zu finden und diese Ausscheidungskommunikation zu erkunden. Das Baby kommuniziert der Pflegeperson normalerweise sein Ausscheidungsbedürfnis über Signale. Die Kinder sind dabei sei unterschiedlich. Manche Babys signalisieren von Anfang an sehr deutlich, andere tun das eher selten und sehr subtil. Diese Signale variieren stark von einem Kind zum anderen. Sie können verbal (akustische Laute, rudimentäre Sprache) oder nonverbal sein (Mimik, Gestik, Gebärden, Körpersprache). Einige zeigen unterschiedliche Körpervorgänge (Blähung, Erektion, „Warnpipi“) und unterschiedliche Gemütszustände, wie ein bestimmtes Weinen, Unruhe oder Nervosität.

Stillende Babys docken oft unruhig an der Brust an und ab, wenn sie mal müssen. Vor dem Stuhlgang grunzen viele Babys oder pupsen. Mit zunehmendem Alter ähneln die Signale zunehmend der Erwachsenenkommunikation. Babys zeigen oder schauen z. B. auf die Pflegeperson oder das Töpfchen, um ihr Bedürfnis anzuzeigen. Ältere Babys können Gesten oder Babyzeichen für „Töpfchen“ lernen oder intuitiv einsetzen. Die Signale der Ausscheidungskommunikation sind unterschiedlich, aber sie sind da. Eltern sollten versuchen diese Signale ihrer Kinder zu lernen.

Hier geht es zu unserem Gastbeitrag von Sophie Kramer, wenn du Lust hast.

Wann mit Windelfrei starten?

Am besten beginnt man mit seinem Windelfrei-Experiment vor dem 3. Monat. Weil im Wochenbett ganz andere Herausforderungen warten, muss man nicht gleich ab Geburt starten.

Oft wird beobachtet, dass Babys nach dem 3. Monat mit der Ausscheidungskommunikation aufgeben, sich mit den Windeln abfinden und das Gespür für ihr Ausscheidungsbedürfnis verlieren. Oft korreliert das mit dem Zeitpunkt, an dem die „Koliken“ aufhören. Einige behaupten, es handle sich dabei lediglich um das verzweifelte darauf aufmerksam machen, dass das Baby mal muss und sich nicht selbst beschmutzen will.

Ausscheidungskommunikation ist keine Einbahnstraße

Wenn man es geschafft hat sein Kind eine Situation zu bringen, dass es sich entleeren darf (Waschbecken, Töpfchen, Hecke), sollte man sich ein Signal angewöhnen das man als Eltern von sich gibt. Das kann ein Laut sein, wie z.B. ein „bssss“. Regelmäßig angewendet signalisiert es dem Baby später jeweils, dass es jetzt machen darf.

Wir haben von Müttern gehört, dass sie an der Supermarktkasse dem Kind im Tragetuch gesagt haben, dass es jetzt rasch warten muss bis man in den Waschraum kann. Und erst dort, nach etwa 10 Minuten, hat sich das Kind auf das „bssss“-Zeichen der Mutter entleert.

Aller Anfang ist schwer: Neugeborene pieseln noch sehr oft und dann nur wenig. Größere Babys tun das seltener. Es kann am Anfang also oft mal was daneben gehen, weil man nicht ständig abhalten kann und vielleicht auch mal ein Zeichen verpasst. Das große Geschäft merkt man den Kindern besser an und verzeichnet viel eher erste Erfolgserlebnisse.

Hilfreich ist es, die Zeit nach dem Aufwachen und die Fütterungszeit zu nutzen. Also vor, während oder nach dem Stillen bzw. Fläschchen geben. Viele Mütter lassen ihr Baby dabei direkt mal unten ohne und platzieren ein Asiatöpfchen (LINK) oder ähnliches unter den Po ihres Kindes.

Beobachten und Spaß haben

Und sonst? Beobachtet euer Baby einfach. Viele berichten, dass sie mit der Zeit intuitiv spüren, dass ihr Baby muss, oft, bevor es sich überhaupt bemerkbar gemacht hat. Windelfrei ist kein Leistungssport oder Wettkampf und soll Spaß machen. Es darf auch mal „wischen, waschen und lächeln“ sein.

Und bitte nicht unter Druck setzen, sein Baby den ganzen Tag lang beobachten zu müssen und nichts mehr anderes tun zu können. Man kann windelfrei auch „Teilzeit“ machen. Dann hält man eben nur bei den sicheren Treffern ab und zieht dem Kind für den Rest des Tages eine Backup-Windel an.

Oder man praktiziert tagsüber windelfrei, nachts aber nicht, damit man sich als Eltern auch mal etwas schlafen kann. Unterwegs kann das auch hilfreich sein, damit man das Auto oder Sofa von Oma nicht beschmutzt. Damit windelfrei möglichst simpel bleibt, gibt es einige Dinge an Ausstattung, die man sich zulegen kann.

Gut ist es mit einer Grundausstattung zu starten. Hier findest du mehr dazu: (LINK)

Hier findest Du einen schönen Bericht von Mamamal3 – windelfrei ab Geburt.

Dennoch. Wer windelfrei erziehen will, muss dem Baby viel Aufmerksamkeit schenken. Aufmerksamkeit, die viele gestresste Eltern nicht immer entbehren können oder wollen. In unserer  Gesellschaft ist man schnell dabei und zieht Babys schnell mal eben eine Windel an. Auch ändern Babys regelmäßig ihre Signale. Es ist also ein stetiger Lernprozess der Eltern gefragt, die neuen Entwicklungsstufen ihres Babys zu verstehen und zu deuten. Deshalb darf man sich windelfrei nicht als dauerhaft ansteigenden Erfolg vorstellen. Es ist eine Reise mit Höhen und Tiefen. Wenn das Abhalten des Babys wochenlang funktioniert und dann plötzlich Pipi wieder vermehrt danebengeht, kann das demotivierend wirken. Dennoch, es lohnt sich dranzubleiben.